Veedel entdecken

Über Sülz und Klettenberg

Die Geschichte ungleicher, aber enger Geschwister

Wussten Sie, ...

dass man schon von Sülz nach Klettenberg wechselt, wenn man Brötchen beim Merzenich kauft und dann einmal um die Ecke geht, um beim Unkelbach einzukehren? Als die Kölner Stadtverwaltung die Grenzen der Stadtteile offiziell zog, leistete sie sich ein paar Besonderheiten. Denn ab der Sülzburgstraße gehört die Luxemburger beidseitig zu Klettenberg. Das mag skurril erscheinen, aber letztlich zeigt es, wie eng die beiden Stadtteile miteinander verbunden sind. Auch historisch.

Denn Klettenberg, das sich wie ein langes Viereck genau in eine Aussparung der Sülzer Grenzen schmiegt, ist ein Projekt der damaligen Stadtherren. Köln wuchs um die vorletzte Jahrhundertwende so stark, dass ganze Stadtteile neu geplant wurden. Sülz hatte sich von einem Gebiet mit vereinzelten Höfen und später einer Reihe von Ziegeleien entlang der Ausfallstraßen mit der Zeit zu einem dicht bebauten Veedel entwickelt. Das geschah nicht ganz ungeplant, aber doch so rasch, dass sich eine einzigartige Mischung aus Gewerbe und Wohnen bildete. Den Siedlungskern bildete die heutige Ägidiusstraße, die damals den Namen des Ziegeleiunternehmers Wagner trug.

Wohnen und Arbeiten als „Sülzer Mischung“

Wohnen und Arbeiten

In der Mitte des 19. Jahrhunderts breitete sich von dort aus ein dynamisches Quartier aus, das entlang von Verbindungen zwischen Berrenrather und Luxemburger Straße entstand und mit weiteren Längsquerungen ein Schachbrettmuster bildete. Die Wohnhäuser waren anfangs höchstens zweistöckig – manche wurden gleich als Arbeiterwohnstätten gebaut, andere waren Heimat von Handwerkern und Kleingewerbetreibenden, die Wohnen und Arbeiten auf demselben Grundstück miteinander verbanden. Das kennt man noch heute als „Sülzer Mischung“.

Schnell entwickelte sich Sülz zu einem dicht bebauten, quirligen, aber auch lauten und an vielen Stellen qualmenden Industrievorort, wo von Tabakmaschinen bis Strohhüten, Fahrrädern bis Möbeln alles hergestellt wurde, was den Bedarf einer wachsenden Handelsstadt befriedigte. Manche Betriebe hielten sich noch nahezu das ganze 20. Jahrhundert lang und bis heute sind einige Gebäude erhalten: in der Strohhutfabrik ist die VHS untergebracht, das Eisenwarengeschäft Bosen wird zeitweise als Filmkulisse benutzt. Größere Fabriken verschwanden dagegen mit der Zeit und sind heute zumeist durch Wohnanlagen ersetzt worden.

Historisches Bauensemble Klettenberg

Bürgenhäuser und Altbauten

Aber bereits mit der Eingemeindung nach Köln begann sich das Stadtbild zu ändern. Nun entstanden Bürgerhäuser im Stil des Historismus, einzelne Straßenkarrees wurden dabei ausgespart und als kleine Parks gestaltet, um der Einwohnerschaft etwas Grün und Erholung zu bieten. Und um 1900 entstand Klettenberg als komplett neuer Stadtteil hauptsächlich zur Entlastung des von Wohnungsnot geprägten Sülz. Hier waren die Häuser von Anfang an höher und repräsentativer, sie ziehen sich noch heute entlang großzügig geschwungener Straßen bis über den Gürtel hinaus bis zum Klettenbergpark. Das Viertel selbst war immer dem Wohnen vorbehalten, nur an den Außenkanten entlang von Luxemburger Straße und dem neu benannten Gottesweg entstanden Ladenzeilen.

Weil Sülz und Klettenberg vergleichsweise gut durch den Zweiten Weltkrieg kamen, kann man diese Entwicklung noch heute gut ablesen. Klettenberg gilt sogar als größtes erhaltenes Ensemble der wilhelminischen Zeit in ganz Köln. Die Sozialstruktur hat sich allerdings weiterentwickelt: In den gut erhaltenen Sülzer Altbauten leben heute keine Arbeiter mehr, sondern eine bunte Mischung aus Familien und Singles, Studierenden und Kreativen, Beamten und Freiberuflern. Die vielen Gründerzeitbauten lockten ab den 1980ern verstärkt Neubürger an, die historisches Stadtbild und wohnliche Atmosphäre zu schätzen wussten. Zunächst blieben die Preise recht niedrig, später stiegen sie kontinuierlich, weil Altbauten eine Renaissance erfuhren, Sülz und Klettenberg zugleich gute Infrastruktur und angenehme Nachbarschaften boten.

Sülz und Klettenberg: Mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede

„Was unser Veedel wirklich ausmacht, sind die Leute, die hier wohnen“.

Hier und Heute

Mit dem neuen Publikum wandelte sich auch das geschäftliche Angebot. Es wurde weniger produziert, dafür entwickelten sich Einzelhandel, Kultur und Gastronomie. Das heutige, „Carrée“ genannte Stadtteilzentrum liegt teils genau auf der Kante zwischen Sülz und Klettenberg. Gemeinsam bilden die beiden ungleichen Schwestern faktisch einen Doppelstadtteil von über 45.000 Einwohnern, von denen drei Viertel auf Sülz entfallen.

 

Noch heute ist Sülz quirliger und lauter, Klettenberg ruhiger und gediegener – aber bei allen Unterschieden überwiegen doch die Gemeinsamkeiten der beiden Geschwister.

 

So lassen sich in beiden Stadtteilen einheitliche Übergänge vom hochverdichteten Zentrum in die grünen Außenbereiche ausmachen: Während nahe der Kölner Innenstadt Freiflächen (und Parkplätze) Mangelware sind, werden außen die Häuser niedriger, das Stadtgrün bestimmender – und hinter einem Kleingartengürtel locken ausgedehnte Parkanlagen, die in Summe beide Stadtteile zu den grünsten von ganz Köln machen. Das macht beide Stadtteile durch und durch maßstäblich.

 

Sieht man vom Uni-Center und dem Gerichtsviertel ab, die ja ohnehin etwas abseits stehen, sind Hochhäuser ebenso selten wie wuchtige Baudenkmale. Die Menschen kommen damit gut zurecht: Wenn man sie nach einem gemeinsamen Wahrzeichen fragt, sagen sie übereinstimmend unbekümmert: „Was unser Veedel wirklich ausmacht, sind die Leute, die hier wohnen“.